Liebe Freunde,
In stockdunkler Nacht (ca.22.00 Uhr ) sind wir am 01. Mai wieder in unser Basislager zurückgekehrt. Nach einem langen Abstieg von 7600m gingen uns Sitaram und Tashi eine Stunde vorm
Basislager mit Mangosaft entgegen. Nach einer Nudelsuppe hier im Basislager sind wir mit einem guten Gefühl der perfekten Akklimatisation in einem Tiefschlaf verfallen.
Aufgebrochen waren wir am 26. April zu unserer zweiten und abschließenden Akklimatisation zum Wandfuß. Dort gruben wir unser Depot aus und verbrachten eine gute, aber windige Nacht unter der
Nordwand. Von den Bedingungen in der Wand konnten wir bis dahin keine Veränderung feststellen.
Am nächsten Morgen stiegen wir angeseilt über sehr spaltenreiches Gelände und unter zwei großen bedrohlichen Seracs in der Südwand des Changtse in Richtung Nordsattel aufwärts. Mittags hatte es
vollkommen zugezogen, am Nordsattel blies starker Sturm. Kurzfristig entschieden wir, ca. 300 m unterhalb in einer geschützten Spalte unser Zelt aufzustellen. Tags darauf mussten wir einen
Bergschrund überwinden bevor wir die letzten 300 Höhenmeter bis auf 7100 m aufstiegen. Angeseilt, da Blankeis-Verhältnisse, kletterten wir höher. In der 3. Seillänge krachte mir plötzlich ein
tellergroßer Stein auf`s Eisgerät…..Glück gehabt!!! Ralf schrie zu mir herauf, ob alles in Ordnung sei. Mir zitterten ziemlich die Knie, sonst passte alles!!! Wahrscheinlich hatte ein Bergsteiger
knapp oberhalb des Nordcols den Stein abgetreten.
Weiter ging es über eine Schneeflanke bevor die Verhältnisse wieder in Blankeis wechselten. Das Gelände war nicht steil. Maximal 45 Grad. Trotzdem blieben wir aufgrund des Steinschlags angeseilt
und sicherten uns gegenseitig. Wie fast jeden Tag hatte es wieder zu winden und auch stark zu schneien begonnen. Ralf war ein wenig zu dünn angezogen und war inzwischen völlig ausgekühlt. Am
Nordsattel angekommen bauten wir schnell unser kleines Zelt auf und starteten den Kocher. Wir tranken wie immer viel, von Hunger war nicht wirklich die Rede. Trotzdem ein paar Bissen Knäckebrot,
Käse und Suppe musste sein. Eine eisige Nacht stand uns bevor. Ralf nieste und schnupfte im Halbstundentakt,- hoffentlich würde er sich bis zum Morgen wieder erholen. Auch Nachts trank er heißes
Wasser.
In der Früh wachten wir in Eis überzogenen Schlafsäcken auf und das gesamte Zeltinnere war mit einer dicken Eisschicht überzogen. Zum Glück kommt dort oben bereits um halb 6 Uhr die Sonne.
So konnten wir während des Frühstücks unsere gesamte Ausrüstung trocknen. Ralf fühlte sich wieder besser so stiegen wir am Vormittag weiter auf.
Wir kamen gut voran. Jeder von uns wollte im eigenen Tempo aufsteigen. Ralf war viel damit beschäftigt bei glasklarer Sicht zu fotografieren und zu filmen. Ich wollte inzwischen voraus um einen
geeigneten Zeltplatz zu finden; es zeichnete sich ab, dass es am frühen Nachmittag wieder vollkommen zuziehen würde….
Auf 7600 m fand ich einen Platz an dem nicht allzu viel vorzubereiten war. Ein paar grobe Steine wegräumen, etwas Schnee drauf, und schon war die Plattform perfekt. Im Sturm war ich froh, dass
wir immer ein unkompliziertes kleines Zelt dabei haben, obwohl wir uns darin doch manchmal ziemlich beengt fühlen. Heute war es ruckzuck aufgestellt und der Gedanke an Enge war keineswegs
vorhanden.
Eis holen und schon lief der Kocher. Nun kam auch Ralf an, froh darüber, dass er gleich ins Zelt schlüpfen konnte, waren seine Finger vom Fotografieren doch fast steif geworden.
Beide freuten wir uns über die bisher gelungene gute Akklimatisation. Hoffentlich würde das Wetter halbwegs halten! Im Moment schneite es ziemlich und der Wind blies heftig. Das sollte auch den
ganzen nächsten Tag so sein. Unseren Plan am zweiten Tag hier oben ein paar hundert Meter weiter aufzusteigen verwarfen wir wieder. So blieben wir den ganzen Tag auf 7600 m, kochten und füllten
unsere Speicher so gut es ging auf. Riss es kurz auf, waren wir mit dem Fernglas am Suchen nach geeigneten Biwakplätzen in der Nordwand. Viel allerdings sahen wir an diesem Tag nicht.
Am Nachmittag riefen wir Charly in Innsbruck an, der uns die tiefen Temperaturen bestätigte und uns aber Hoffnung auf wärmere Tage ab Mitte kommender Woche machte. Zudem erfuhr ich über den super
Erfolg unseres Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, was mich riesig freute!
Eine weitere Nacht wollten wir auf dieser Höhe verbringen. Wir sind beide überzeugt, für eine Besteigung des Everest ohne künstl. Sauerstoff sind zwei Nächte hier oben von großem Vorteil – wenn
nicht sogar unabdingbar.
Diese zweite Nacht war für uns beide sehr anstrengend. Es schneite zwar nicht mehr, jedoch stürmte es mit enormer Geschwindigkeit und es war sehr kalt. Beide taten wir kein Auge zu. Immer wieder
lauschte ich und überlegte, ob das Zelt auch wirklich ausreichend fixiert und verankert wäre. Ralf bestätigte mir: mit unserem Gewicht darin, könnte es uns fast nicht wegblasen… trotzdem war an
Nachtruhe nicht zu denken.
Früh am nächsten Morgen packten wir unsere gesamte Ausrüstung zusammen und stiegen ab zum Nordsattel. Erstaunlich, dass es dort beinahe windstill war!! Hier konnten wir wieder unsere Sachen
trocknen und ein kleines Depot anlegen: eine Gaskartusche, ein wenig Essen und ein Seil. Wir entschieden, nicht unsere Aufstiegsroute abzuseilen, da vorherzusehen war, dass es Lawinen- und
Steinschlag-gefährlich sein würde. Wir nahmen den zwar um einiges längeren aber sichereren Abstieg ins nordseitige Basislager. Dort trafen wir auch auf einige Freunde wie Rolf, Andreas, die
3 Spanier sowie Gnaro, Abele und Michelle. Nach einem kurzen Stopp gingen wir um den Changtse herum zurück in unser Basislager. Wir hatten einen sehr langen Abstieg hinter uns. Müde und sehr
zufrieden trafen wir wieder hier in unserer Mulde ein. Inzwischen ist auch Joachim Rienhardt zu uns gekommen, er wird einige Tage hier bei uns im Basislager bleiben.
Wie erwartet haben sich auch wieder die Blauschafe von 2005 hier eingefunden. Nun ist unser Team vollständig. 🙂
Die nächsten Tage werden wir uns erholen und die Wettervorhersagen von Charly Gabl intensiv verfolgen. Noch sind die Temperaturen zu tief (zur Zeit im Gipfelbereich um -35° Celsius), um ohne
künstlichen Sauerstoff Richtung Gipfel zu starten. Aufmerksam beobachten wir die Nordwand und hoffen natürlich, dass wir beim nächsten Aufbruch einsteigen und über diese imposante Route den
Gipfel werden erreichen können.
Für heute verabschiede ich mich wieder und sende euch allen viele liebe Grüße aus dem Basislager!
Gerlinde mit Ralf