Liebe Freunde,
bevor ich morgen früh das Basislager verlasse, möchte ich mich noch einmal bei euch melden.
Wieder hat es nicht sollen sein mit dem Gipfel des K2. Triebschnee bis zur Brust, oberhalb vom Flaschenhals machten ein Vorwärtskommen äußerst riskant, somit war klar, wieder umkehren zu
müssen.
Am 01. August war ich erst noch zeitgleich mit den Amerikanern aufgebrochen Richtung Lager II. Ich kam gut voran und spürte vor allem, dass ich noch ausreichend Kráftreserven hatte. Nach ca. 3
Std. erreichte Fabrizzio, später dann auch seine Teamkollegen ihre Zelte.
Am nächsten Morgen brach ich um ca. 8.00 Uhr auf um auf 7200 m zu gelangen. Durch den Nordwestwind waren wir an der Cesen Route gut windgeschützt. Im kleinen Zelt, dass ich mir sonst mit David
teilte, hatte ich nun so viel Platz, das erwies sich als eines der wenigen positiven Dinge, wenn man alleine unterwegs ist.
Am 3. August wollte ich sehr früh aufbrechen, ich wusste, was mich erwarten würde. Hinauf auf die Schulter mit viel Spurarbeit. Ich dachte an meinem Vater, er hatte an diesem Tag Geburtstag, ein
unbeschreiblich schöner Tag lag vor mir, der mir auch viel Kraft abverlangte.
Kurz unterhalb der Schulter machte ich eine ausgiebige Pause, trank einen Liter und wartete, bis es wieder aufriss. Nach eineinhalb Stunden kam Fabrizio. Ich stieg weiter bis zur Schulter und
spürte Erleichterung, als ich das Zelt von meinen kasachischen Freunden kurz sah, bevor wieder dichte Nebelfezen die Sicht verhüllten. Es hatte also geklappt, wir trafen uns wie vereinbart auf
der Schulter. Ich freute mich sehr.
Dort oben ist das Gelände so flach, dass ich nur den Schnee niedertreten musste, um eine perfekte Plattform für mein Minizelt zu haben.
Ich besprach mich mit Maksut, Vasili und Serge, wir wollten um ca. 1.00 früh aufbrechen. Mein Kocher surrte auf Hochtouren, noch einmal konnte ich mit Ralf sprechen, was mir sehr gut tat.
An Schlaf war nicht zu denken, ich ging in Gedanken den bevorstehenden Tag durch, trank was ich nur runter brachte und war voller Zuversicht, dass wir es schaffen würden. Wir hatten fast Vollmond
und beim Start bittere Kälte. Mit Vasili, Sergey und Maksut wechselte ich mich beim Spuren ab. Beim Flaschenhals war Mingma ein Sherpa vom koreanischen Team vorne. Er verwendete künstl.
Sauerstoff und war jetzt kaum zu bremsen. Der Schnee wuchs und kurz vor der Querung brach plötzlich über uns ein kleines Stück vom Eisserac herunter. Genau das hatte ich gefürchtet. Gott sei Dank
ist nichts passiert.
Oberhalb vom Flaschenhals reichte uns der Schnee bis zur Brust. Um ein paar wenige Meter vorwärts zu kommen benötigten wir eine Stunde, wir wechselten uns beim Spuren nach wenigen Metern ab, sicherten uns zusätzlich gegenseitig bis wir einsehen mussten, dass es zu gefährlich wurde. Ein wahrhaft schöner Tag, so kurz vor dem Ziel und doch wollte es nicht sein.
Ich meldete mich bei Ralf; die Natur ist so zu akzeptieren wie sie eben ist. Wunderschön, oft unberechenbar und abweisend, das macht wahrscheinlich mitunter diese Faszination aus.
Wir gaben unser Bestes, jetzt kehrten wir um.
Auf der Schulter packte ich meine Sachen zusammen begann meinen Abstieg ins Basislager. Ich wusste, dass ich müde bin, umso mehr konzentrierte ich mich auf jeden Schritt, jeden Handgriff.
Ein wunderschöner Abend lag vor mir. Bewusst setzte ich mir Rastpunkte. Vom Aufstieg wusste ich, wo es Plätze gibt an denen ich mich hinsetzen konnte, dann nahm ich mir die Zeit zum Schauen. Die
umliegenden Bergspitzen leuchteten in einem ganz besonderen Licht, keine Menschenseele weit und breit, der Vollmond war hinter dem Broad Peak aufgegangen, eine beinahe göttliche Stimmung, ich war
glücklich…
Heute Abend werden wir hier im Basislager alle gemeinsam Abendessen. Wir sind froh, dass alle gesund runter gekommen sind. Bestimmt werde ich irgendwann zu diesem faszinierenden Berg
zurückkehren.
Bevor ich mich verabschiede, möchte ich einigen Menschen besonders DANKEN:
Meinem Mann Ralf, der immer für mich da war und ist, ob hier im B.C. oder später zu Hause am Telefon. Genauso meine Mitarbeiterin im Büro Kathrin Furtner.
Dr. Karl Gabl, zu dem wir Charly sagen dürfen, der rund um die Uhr für mich erreichbar war und mir immer exakt die Wetterdaten voraus sagte.
David Göttler, mein Teamkollege bis vor meinem zweiten Versuch, mit dem ich perfekt zusammen arbeitete und ein richtig gutes Team ergab.
Meinem Küchenteam, ohne die ich wahrscheinlich nicht mehr die Kraft besessen hätte, noch einen zweiten Versuch zu starten.
Euch allen vielen Dank, dass ihr mich in Gedanken unterstützt habt, für die vielen positiven Zeilen dir mir im richtigen Moment Kraft gaben.
An meine Partner und Sponsoren ein großes Dankeschön für die Unterstützung und das Vertrauen in mich.
Ich wünsche euch allen einen angenehmen, unfallfreien Sommer und sende euch sehr herzliche Grüße, noch aus dem Basislager
Eure Gerlinde Kaltenbrunner