TEil 1
Vor einer Stunde (10:15 Uhr) konnte ich mit Gerlinde reden: sie und David sind in den Felsen links des Flaschenhals knapp oberhalb der üblichen Querung unter dem großen Serac. Um eventuellem
Eisschlag auszuweichen sind die beiden dieser sichereren, wahrscheinlich aber zeitlich deutlich aufwendigeren Aufstiegsvariante gefolgt.
Somit fehlen ihnen noch ca. 300 – 350 Höhenmeter bis zum Gipfel. Es sei sehr anstrengend, zum Teil mussten sie hüfthohen Schnee spuren, – aber es geht ihnen gut.
Um 3:20 Uhr waren Gerlinde und David von ihrem Biwak am Beginn der Schulter gestartet. Hier vom Basislager konnte ich ihren Stirnlampen eine Weile folgen, bis sie auf den flachen Hängen der
Schulter nicht mehr zu sehen waren. Der Himmel war zunächst noch sternenklar.
Um 6:15 Uhr meldete sich Gerlinde zum ersten Mal “Wir sind unterhalb des Flaschenhals und werden die linken Begrenzungsfelsen aufsteigen.“ Es sei sehr kalt und windig, aber sie seien bisher gut
voran gekommen. Bisher sei noch niemand anderes (also die anderen Bergsteiger auf dem Abruzzengrat) auf der Schulter angekommen. Zu diesem Zeitpunkt liegt eine aufgelockerte Schichtbewölkung über
dem Karakorum. Der Gipfel des K2 ist allerdings frei.
Die meisten Wolken über dem Karakorum haben sich – wie von Charly Gabl in Innsbruck angekündigt – aufgelöst. Nur am K2 befördert die begonnene Konvektion die Restfeuchte nach oben und es gibt
unbedeutende Wolken.
Um 10:20 Uhr meldet sich Fabrizio Zangrilli, der sich vor ein paar Tagen Gerlinde und David angeschlossen hatte, von Lager IV – er wollte Gerlinde und David im Gipfelaufstieg nicht behindern und
befinde sich auf dem Weg nach unten. Er habe gerade nochmals einen Liter getrunken und werde jetzt den 3000m-Abstieg antreten.
Und jetzt gerade eben hat sich unser langjähriger Freund Veikka Gustaffson – wir waren 1994 gemeinsam auf dem Gipfel des K2, und 2006 gemeinsam mit Gerlinde auf dem Kangchendzönga – vom Gipfel
des Gasherbrum I gemeldet. Sein 14. 8000er. Hurra!!! Herzliche Gratulation!!! Er dankt Charly Gabl von dort oben für den ausgezeichneten Wetterbericht, den ich ihm und seinem japanischen Freund
in den letzten Tagen über Sat-Phone immer weitergeben durfte.
Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich mich wieder melden.
Einen herzlichen Gruß mit einer riesen Portion Aufregung,
Ralf Dujmovits
TEil 2
Gerlinde und David sind im Abstieg, genauer gesagt gerade am letzten Biwakplatz am Beginn der Schulter angekommen.
Um 14:15 Uhr kam der entscheidende Funkspruch. Die Tageszeit ist zu sehr fortgeschritten, die Schwierigkeiten in den Felsen links neben dem Flaschenhals haben so viel Zeit gefordert, dass ein Erreichen des Gipfels zu einer vernünftigen Tageszeit nicht mehr möglich sein wird. Abstieg!
Wie schon im 1.Teil des heutigen Newsletters angedeutet, versuchten Gerlinde und David der Eisschlaggefahr unterhalb des großen Serac auf 8300m aus dem Weg zu gehen. Sie querten in die Felsen links des Flaschenhals und waren damit aus der Schußlinie des im vergangen Jahr fatal endenden Eisschlags. Allerdings auch in sehr anspruchsvollem Felsgelände, dass sie in dieser Höhe sehr viel Zeit gebraucht hat.
Um 13:15 Uhr kam ein Funkspruch von Gerlinde, dass sie durch die Felsschwierigkeiten sehr stark aufgehalten worden seien und dass sie am Überlegen seien, wie weitermachen. Ein schnelles Zurückkehren auf die übliche Route des Flaschenhals mit anschliessender sehr gefährlicher Unterquerung des großen Seracs war außer Reichweite und auch objektiv zu gefährlich. Wir besprachen einige Optionen durch und sie wollte sich anschließend mit David besprechen.
Um 14:15 Uhr – wie oben schon gesagt – kam dann die Mitteilung der Umkehr.
Schade, es hat nicht sollen sein – wichtiger ist aber auf alle Fälle die vernünftige Entscheidung und eine gesunde Rückkehr.
Dr. Charly Gabl, unser Freund und Meteorologe aus Innsbruck, hatte uns einen perfekten Tag angekündigt – und der ist bzw. war es bisher auch. Danke nochmals dafür, lieber Charly! Du hast Dir wieder unendlich viel Mühe für uns gemacht. Manchmal aber soll es trotz perfektem Wetter und perfekter Planung nicht sein. Die Sicherheit hat den Ausschlag gegeben.
Gerlinde und David werden zunächst eine ordentliche Trinkpause einlegen und dann das anspruchsvolle Fels- und Kombigelände hinunter zu Lager III absteigen. Sicher werden sie sich von dort wieder melden. Sobald ich letzte Neuigkeiten vom Abstieg habe, werde ich wieder einige Zeilen schreiben.
Einen herzlichen Gruß,
Ralf Dujmovits
TEil 3
19:30 Gerlinde und David sind kurz vor Lager II, der Stelle ihres ersten Biwaks. Zwischen der Schulter und Lager III (Biwak II) war es etwas zäher, da die beiden wegen schlechter Standplätze und
noch schlechterer, alter Fixseile fast alles abgeklettert sind.
Jetzt geht es hurtiger und ich gehe davon aus, dass Gerlinde und David noch heute, nach 3300 Höhenmeter Abstieg im Basislager eintreffen werden. *
Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen von Gerlinde für die vielen positiven, kraftgebenden Rückmeldungen und Ermunterungen bedanken. Charly Gabl hat vorhin in einem Mail geschrieben, dass der
Karakorum-Sommer noch eine Weile dauert und der K2 wird auch noch eine Weile stehen.
Evtl. wird es noch einen weiteren Versuch geben.
Einen herzlichen Gruß aus dem Basislager und Danke für Euer Interesse,
Ralf Dujmovits
*Nachtrag: Um 22:40 Uhr sind Gerlinde und David gut unten am Einstieg der Cesen Route angekommen.