Um 4:00 Uhr piepste der Wecker, kurz darauf kam Karimulla mit einem heißen Tee ans Zelt. Gerlinde hatte eine unruhige Nacht verbracht – die positive Anspannung auf den Beginn des Gipfelversuchs
hin hatte sich mit vielmaligem Drehen von links nach rechts und umgekehrt bemerkbar gemacht. Gerlinde gehört zu den Menschen, die alle möglichen Situationen des Aufstiegs, auch der
Gefahrenstellen und möglicher Umkehrkriterien sich völlig verinnerlichen. Draußen hatte es angefangen leicht zu schneien. Jetzt verstanden wir auch, warum es die Nacht über im Zelt eigentlich
viel zu warm war: der Himmel war völlig bedeckt, kein Stern weit und breit, dichter Nebel und leichter Schneefall begann sich übers Lager zu legen.
Um 4:30 saßen wir beim Frühstück, dass unsere Küchenmannschaft liebevoll hergerichtet hatte. Die Stimmung war erwartungsvoll wegen des Schneetreibens draußen.
Um kurz vor 5:00 Uhr kam Fabrizzio herein, der sich Gerlinde und David wie vor zwei Jahren – damals beim Nonstop-Besteigungsversuch – wieder angeschlossen hatte.
Zum Abschied standen alle im Schneetreiben vor dem Küchenzelt. Gerlinde, David und Fabrizzio wurden von allen nochmal heftig umarmt – dann ging es im Schein der Stirnlampen bei Einbruch der
Dämmerung los zum Einstieg der Cesen-Route.
Ziemlich aufgeregt habe ich mich noch mal ins jetzt leere Zelt in den warmen Schlafsack gelegt. Ich kenne die Gefahren des K2, spüre aber seit Monaten die Vorfreude Gerlinde’s auf den Gipfelgang.
Alles wird gut werden, ich weiß es und habe das allergrößte Vertrauen zu ihr und David. Mit Charlies Unterstützung auf der Wetterseite werden die beiden es bestimmt gut machen und gesund wieder
ins Basislager zurück kommen.
Den ganzen Vormittag ist es bedeckt und schneit, wie es Charly angekündigt hat. Erst um 11:30 Uhr reißt es ein wenig auf und wir können auf 6400 m Lager II erkennen. Sehr viel hat es oben nicht
geschneit – nur wegen der 150m-Flanke direkt unterhalb von Lager II mache ich mir ein wenig Sorgen. Nur wenige Zentimeter Neuschnee führen in solchen etwa 45 – 50 Grad steilen Schneeflächen
schnell zu großflächigen Schneerutschen.
Um 13:00 Uhr meldet sich David: „Hauskatze für Schneeleopard, bitte kommen“. Die Hauskatze Ralf meldet sich. Jetzt ist Gerlinde am Funkgerät: alles ist gut gegangen, schon nach 4 Stunden und 15
Minuten ab Wandfuß waren Sie bei teilweise dichtem Schneetreiben nach 1400 Höhenmetern im Lager II angekommen. Im Hintergrund höre ich den Kocher surren während Gerlinde spricht. Der Wind hatte
sich in Grenzen gehalten, anstrengende Spurarbeit erst ab 5800 m. Und tatsächlich kurz unter Lager II die erwarteten, teilweise heftigen Schneerutsche. Da das Schmelz-Wasser gerade kocht,
verabreden wir uns zu einer weiteren Funkzusammenkunft um 14:30 Uhr.
Dabei kann ich dann auch den letzten Wetter-Update von Charly durchgeben: Auch morgen, Donnerstag, soll es noch etwas durchwachsen sein mit Schneefall. Und der Wind bleibt bis Samstag früh noch
recht stark. Hoffentlich nicht zu stark für den Aufstieg von Lager III auf die Schulter des K2 am Freitag. Ohne Fixseile im kombinierten Gelände. Für diesen Teilabschnitt habe ich etwas Bedenken.
Aber Gerlinde und David könnten auch einen Tag zuwarten, falls es zu sehr bläst. Auch der Sonntag soll neben dem Samstag noch windschwach und bis Mittag stabil bleiben.
Um 18:30 werden mich Gerlinde und David nochmals anfunken. Ich freue mich schon darauf, die beiden zu hören.
Für heute verabschiede ich mich, und hoffe mich morgen mit guten Neuigkeiten von „oben“ wieder zurückmelden zu können.
Liebe Grüße,
Ralf Dujmovits